Mitten in Berlin errichtet der BND seine neue Zentrale. Damit fremde Geheimdienste keine Wanzen in den Mauern verbauen können, sind die Sicherheitsmaßnahmen enorm aufwendig. So dürfen nur deutsche Arbeiter auf die Baustelle - theoretisch.
Großbaustelle:Blick auf den Rohbau: Das Projekt der Superlative ist gut gesichert. Meterhohe Bauzäune sollen allzu große Neugier verhindern.
Die Luft schmeckt nach Staub. Es riecht nach frisch angerührtem Beton. Kräne ragen in die Höhe, ihre Silhouetten zerschneiden den grauen Berliner Himmel. Unten auf der Baustelle dröhnen Maschinen, versteckt hinter einem braunen Bauzaun, der kein Ende zu nehmen scheint: massiv, hoch, nicht das kleinste Loch, das einen Blick auf die Arbeiten zulassen würde.
Hunderte Meter versperrt der Zaun die Sicht, umzingelt eine Fläche von zehn Hektar. Kameras lugen alle paar Meter über den Sichtschutz, jeder Passant, jedes Fahrzeug, jede Bewegung wird gefilmt. Schilder weisen auf die Videoüberwachung hin, verbieten Fotoapparate und Handys. Nachts wird das Gelände mit gleißendem Scheinwerferlicht geflutet, damit sich niemand unbemerkt hier einschleichen kann.
Nur an einer Stelle wird das triste Braun tagsüber von schweren Stahltoren unterbrochen. Dem Nadelöhr, an dem im Minutentakt Lkw und Baufahrzeuge von dem tosenden Moloch aufgesogen werden, der hinter der Palisade liegt. Davor: Sicherheitsleute in gelben Westen, die aufpassen, dass kein Fußgänger die Arbeiten zu lange beobachtet. Denn sie wissen: Das hier ist Deutschlands geheimste Baustelle.
In der Chausseestraße in Berlin-Mitte, nur eineinhalb Kilometer vom Bundeskanzleramt entfernt, lässt der Bundesnachrichtendienst (BND) seine neue Zentrale errichten. Von hier aus wird der BND in Zukunft seine Aktionen planen, Informationen sammeln, auswerten und seine Spione in die weite Welt schicken. Alles hochgeheim.
Ende März feierte der BND Richtfest. Es war der erste und letzte Termin, an dem die Öffentlichkeit die Baustelle betreten durfte. Jetzt beginnt die heikle Phase des Baus - der Innenausbau. Und damit steigt das Interesse der ausländischen Geheimdienste, die das neue Gebäude nur zu gern verwanzen würden. Es müsse aufgepasst werden, "dass nicht etwas eingebaut wird, was später aktiviert wird", warnte BND-Präsident Ernst Uhrlau am Rande des Richtfests.
Eine Mammutaufgabe. Täglich strömen bis zu 2500 Bauarbeiter auf die nicht nur geheimste, sondern auch größte Baustelle der Republik. Jeder der Arbeiter wird beim Betreten gefilzt. Eigentlich sollten aufgrund des hohen Sicherheitsbedarfs nur deutsche Fachkräfte hier ihren Dienst tun - was leider nicht funktioniert und Eberhard Krügele vor ein größeres Problem stellt. Der Koordinator für den Umzug des Bundesnachrichtendiensts hat weitere 25 Mio. Euro beantragt, um die Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle zu verschärfen. Schließlich sei der Innenausbau der Start für die "kritische Phase", sagt er.
Teures Projekt: So soll der Neubau einmal aussehen. Aus Sicherheitsgründen wird das Hauptgebäude nicht direkt an der Chausseestraße errichtet. Im Erdgeschoss fehlen Fenster. Rund 4000 BND-Mitarbeiter sollen ab 2014 in den neuen Räumlichkeiten arbeiten. Sie erhalten viel Platz: 260.000 Quadratmeter dürfen sie beziehen.
Die Biografie eines jeden einzelnen Bauarbeiters hat er durchleuchten lassen. Vorstrafen, frühere Arbeitgeber, alles, was ein sogenanntes Screening hergibt. Doch der BND hatte in seinem Sicherheitskonzept eine Kleinigkeit übersehen: Die hiesigen Firmen beschäftigen zu wenige deutsche Facharbeiter. Und die ausländischen können nicht ausreichend überprüft werden.
Also musste der BND sein Wachpersonal aufstocken, Sicherheitsleute einstellen, die jeden Handschlag überwachen. "Wir können natürlich nicht sagen, wie viele Sicherheitskräfte auf der Baustelle sind", sagt ein BND-Sprecher. In manchen Bereichen, wie der Tiefgarage, sei es sicherlich nicht nötig, hinter jedem Bauarbeiter einen Aufpasser zu postieren. "In Sicherheitsbereichen sieht das natürlich anders aus."
So wurden um das Rechen- und das Lagezentrum Sperrzonen eingerichtet, die nur intensiv überprüfte Bauarbeiter betreten dürfen. Das gilt auch für die Trockenbauer, die hauptsächlich aus dem Ausland kommen. Sie ziehen die Zwischenwände und Decken ein. Beliebte Plätze, um etwas zu verstecken: "Die beste Wanze ist die, die in Wänden, Decken, Böden oder Leitungen verbaut wird", sagt Lauschabwehrexperte Manfred Fink aus Coburg.
Der Vorteil: Sie ist schwer zu finden und hat eine lange Lebensdauer, da sie an den Stromkreis angeschlossen wird. Fink gilt als Lauschabwehrpapst - und das nicht nur in Deutschland. Selbst aus dem Ausland bekam er Aufträge, Konsulate auf Wanzen zu checken. Im Fall der BND-Zentrale soll es keine allzu umfassenden Wanzenchecks nach Fertigstellung des Baus mehr geben. "Dann sind wir bis 2030 ja noch nicht eingezogen", sagt ein Sprecher.
Die Umzugswagen sollen bereits 2013 in der Chausseestraße vorfahren - vor der dann "modernsten Geheimdienstzentrale in Europa", wie Architekt Jan Kleihues voller Stolz jubelt. 815 Mio. Euro kostet das Projekt, Ausrüstung und Umzug noch mal annähernd das Gleiche. Die Fassade ist 280 Meter lang, das Haupthaus wird 30 Meter in die Höhe ragen.
Im obersten Stockwerk bezieht der Präsident sein Büro, mit Blick zum Pankepark. 14.000 Fenster hat das Gebäude, 20.000 Tonnen Stahl werden verbaut, 135.000 Kubikmeter Beton. Eine kleine Stadt in der Stadt. Die Zentrale beherbergt ein Schulgebäude samt integriertem Internat mit 110 Appartements, ein Besucherzentrum mit Fanshop, Konferenzräume. Das Herz des Neubaus bleibt jedoch den 4000 Mitarbeitern des Auslandsgeheimdiensts vorbehalten, die hier nach dem Umzug ein- und ausgehen werden.
Neue Offenheit: Sicherheit wird zwar groß geschrieben. Ganz will sich der BND der Öffentlichkeit aber nicht verschließen. Daher gehört ein Besucherzentrum im Südteil zum Gebäudekomplex. Auch eine Schule und ein Internat sind vorgesehen.
Im Haupt- und Verwaltungsgebäude befinden sich die Büros sowie das Rechen- und Lagezentrum. Über eine Brücke verbunden ist das Technik- und Logistikzentrum mit Laboren, einer eigenen Energiezentrale und der Küche. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) spricht vom "größten Bauvorhaben, das von der Bundesrepublik jemals in Angriff genommen wurde".
Und das eine hervorragende Angriffsfläche bietet: "Botschaften, Regierungsgebäude und Geheimdienstzentralen sind die Sahnestücke beim Abhören", sagt Volker Schmidt. Bevor Schmidt zur Sicherheitsberatung Prevent wechselte, leitete er die Dienststelle "Staatsschutzermittlungen" im Landeskriminalamt Hamburg. "In vielen Ländern ist Spionage Staatsauftrag", sagt er. Und das gelte nicht nur für Russland und China, sondern auch für westliche Länder wie Frankreich und die USA.
Die machen auch vor ihren Freunden nicht halt: So wurde 2004 bekannt, dass der britische Geheimdienst Uno-Generalsekretär Kofi Annan belauschte. "Meiner Meinung nach spioniert jeder gegen jeden, und wenn es eine Krise gibt, dann spionieren die großen Länder viel", zitierte die "Washington Post" damals den spanischen Uno-Botschafter Inocencio Arias. Bei einer Routineüberprüfung in Brüssel stellte sich bereits ein Jahr zuvor heraus, dass deutsche und französische Büros im EU-Ministerratsgebäude verwanzt worden waren.
Nicht nur staatliche Institutionen werden ausspioniert, sondern zunehmend auch Unternehmen. Die Methoden sind immer die gleichen. Zuerst geht es darum, Zugang zum Objekt zu bekommen.
Dazu bedienen sich die Geheimdienste meist Tarnfirmen, die sie in verschiedenen Ländern unterhalten: Bauunternehmen, Elektriker, Techniker, Teppichverleger oder Reinigungs- und Sicherheitskräfte. Auch der BND betreibt solche Firmen. "In diesem Punkt nehmen sich die Geheimdienste alle nichts", sagt Schmidt. Die Geheimdienstler in Berlin wissen also, womit sie rechnen müssen.
Die Masche der Tarnfirmen ist denkbar einfach: Werden Bauarbeiten in einem "interessanten" Objekt ausgeschrieben, sei es eine Behörde oder ein Wirtschaftsunternehmen, bieten diese Unternehmen ihre Dienste an - zu einem unschlagbar günstigen Preis. Haben sie die Ausschreibung gewonnen, ist es ein Leichtes, einen Agenten einzuschleusen. Oft wissen nicht einmal die Angestellten, dass sie für einen Geheimdienst arbeiten. Bis auf den einen eben, der irgendwo die Wanze versteckt, die nicht viel größer als der Kopf einer Sicherheitsnadel ist.
Viel Platz: Für das Hauptgebäude hat der Architekt Jan Kleihues ein Atrium geplant. Dadurch fällt viel Licht in den Komplex - und die BND-Mitarbeiter haben reichlich Platz zum Flanieren. "Die Mitarbeiter sollen sich sehen und miteinander leicht in Kontakt kommen können", sagt Kleihues.
Wie dreist die Geheimdienste vorgehen, zeigt ein Fall von 2002. Der damalige chinesische Staatschef Jiang Zemin hatte in den USA eine Boeing als Regierungsflieger geordert. Sicherheitspersonal aus China überwachte jeden Schritt der Fertigung in Seattle, bis hin zum Ausbau - rund um die Uhr. Das Flugzeug stand abgeschirmt in einer Halle. Dennoch fanden die Chinesen nach der Auslieferung 27 Wanzen in dem Flieger. Eine davon war auf der Toilette versteckt, eine andere am Kopfende des Präsidentenbetts.
In Berlin wurden die Unternehmen gescannt, die für den BND tätig sind. Zudem mussten sie sich verpflichten, inkognito zu arbeiten. Niemand soll erkennen, wer auf der Baustelle zugange ist. Firmenlogos wurden entfernt - von Helmen, Werkzeug und Fahrzeugen. Ausländische Geheimdienste sollen nicht wissen, wo sie einen Spion einschleusen können. Selbst die Architekten durften ihre Pläne in der Vorbereitungszeit nicht in den eigenen Büros zeichnen, sie arbeiteten in Containern auf einem provisorischen BND-Gelände in Berlin-Lichterfelde.
Sollte es einem ausländischen Geheimdienst trotz all der Sicherheitsmaßnahmen gelingen, eine Wanze einzuschleusen, es wäre der Super-GAU. Ausgerechnet beim Richtfest berichteten die Poliere in ihrem Richtspruch, dass es bereits jemandem gelungen sei, ohne Kontrolle auf das Gelände zu gelangen - es war aber zum Glück nur ein Fuchs.